Vor ein paar Jahren stand ich in einer Buchhandlung und suchte nach einem Geschenk für die Tochter einer Freundin. Ich stöberte gerade in einem Regal und suchte nach einem Fantasy-Roman, als mich ein junger Mann ansprach. Er erzählte mir, dass er Autor sie und gerade sein erstes Buch geschrieben hat und fragte mich, ob er mir dieses kurz zeigen dürfe. Da ich neugierig war, sagte ich „Ja, sehr gerne“. Anstatt ein Buch aus dem Regal oder seiner Tasche zu ziehen, zeigte er mir sein Buch auf einem Tablet. Er gab mir eine kurze Zusammenfassung der Geschichte und erklärte mir voller Begeisterung, dass ich mir die Geräusche aus der Geschichte, wie zum Beispiel das Aufeinanderschlagen von Schwertern oder Vogelgezwitscher per Klick auf das jeweilige Wort anhören könne. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Dieser junge Mann war so enthusiastisch und so begeistert von den technischen Spielereien, doch ich konnte damit leider gar nichts anfangen. Wo bleibt denn da das Kopfkino?
Fantasie oder digitales Hörerlebnis?
Wenn ich ein Buch lese, vor allem einen Roman, dann nutze ich meine Fantasie und ich will mir auf gar keinen Fall das Aufeinanderprallen von Schwertern oder Vogelgezwitscher per Klick anhören. Ich will mein eigenes Kopfkino. Wenn ich ein Buch hören möchte, höre ich ein Hörbuch, doch wenn ich ein Buch lese, dann will ich auch ein Buch in der Hand halten und meiner eigenen Fantasie freien Lauf lassen. Etwas dazwischen gibt es für mich nicht.
Ich fragte den jungen Autor, ob es sein Buch auch als gedrucktes Exemplar gibt, doch er verneinte. Also versuchte ich ihm schonend beizubringen, dass ich mit seiner digitalen Variante leider nichts anfangen kann, doch dass ich sein Buch in einer Papierversion gerne gekauft hätte. Und das meinte ich auch so. Autoren und solche, die es mal werden wollen, sollten sich schließlich gegenseitig unterstützen. Er war sichtlich enttäuscht, dass ich seine Begeisterung nicht teilte, bedankte sich aber trotzdem für meine Zeit und wünschte mir noch einen schönen Tag. Ich wünsche ihm ebenfalls einen schönen Tag und viel Erfolg mit seinem Buch. Er bedankte sich und ging leicht bedröppelt von Dannen.
Ich hätte es gekonnt – wenn ich es gewollt hätte
Ich dachte noch eine Weile darüber nach, ob ich mich wirklich nicht auf sein digitales Buch hätte einlassen können. Sicher, ich hätte es gekonnt ̶ wenn ich es gewollt hätte. Aber ich wollte nicht. Beim Lesen möchte ich meine eigenen Bilder und Geräusche im Kopf haben, denn genau das ist es, was eine Erzählung in einem Buch für mich ausmacht: die eigenen Bilder und Geräusche, dieser einzigartige Film, der in meinem Kopf entsteht, und den nur ich so sehen und hören kann.
Bücher müssen für mich gedruckt sein, damit ich mich richtig auf ein Buch (eine Geschichte, ein Thema) einlassen kann. Wenn ich in einer Buchhandlung bin, bin ich im 7. Himmel. Ich möchte in meine Fachbücher kleine, wieder ablösbare Markierungen einkleben können, um für mich relevante Stellen zu markieren. Ich möchte gedruckte Bücher verschenken und meinen Nichten aus gedruckten Büchern vorlesen. Ich finde es toll, wenn mir jemand in der Bahn gegenübersitzt und ein Buch liest. Dann versuche ich einen Blick auf das Cover zu erhaschen, weil ich neugierig bin, was die Person gerade liest. Ich mag es, gebrauchte Bücher zu kaufen, die vorne eine persönliche Widmung haben. Mir geht das Herz auf, wenn ich im Wartezimmer beim Arzt ein Elternteil sehe, das seinem Kind ganz leise aus einem Buch vorliest. Eine Welt ohne (gedruckte) Bücher – für mich einfach unvorstellbar.
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